Der 11. Kongress Automotive Lean Production fand am 29. und 30. November 2016 bei der Robert Bosch GmbH in Blaichach/Immenstadt und der bigBOX Kempten statt. Der Kongress unterscheidete sich erstmalig von allen zuvor stattgefundenen: Bosch fungierte als erster Automobilzulieferer als Gastgeber.
Die Besucher und Gewinner bekamen wortwörtlich „live“ zu sehen, wie Lean und Industrie 4.0 bei Bosch umgesetzt wird, ineinandergreifen und die Effizienz steigern. Beherzte Lean-Aktivitäten sind auf alle Fälle die Voraussetzung für den Weg zu I4.0. Dr. Werner Geiger, Geschäftsführer der Agamus Consult, sieht das ebenso: „Zu überholen ohne einzuholen ist nicht möglich. Die Etablierung von Lean ist die Basis, um Prozesse mittels Digitalisierung noch effizienter zu gestalten“. Was bei Industrie 4.0 genauso wichtig ist wie bei Lean Production, sind die Mitarbeiter. Alle Gewinner betonten in ihren Sieger-Vorträgen, bei denen die wesentlichen Erfolgsfaktoren ihrer Lean-Prozesse und deren aktuelle Ergebnisse präsentiert wurden, dass die (Effizienz-)Fortschritte jeweils nur möglich waren, weil alle Mitarbeiter und insbesondere das Management eingebunden waren.
Johannes Lauterbach, kaufmännischer Werksleiter im Bosch Werk Blaichach/Immenstadt, gab den Ratschlag für flexible Prozesse, Innovationen und eine exakt geplante Produktion: "Nicht kopieren, sondern kapieren". Was der Werksmanager meint, sind exzellent organisierte und vernetzte Produktionsabläufe auf Basis standardisierter Anlagen und Prozesse, getragen von einem tiefgreifenden Verständnis für die Produktionssteuerung, den Materialfluss und das Shopfloor-Management.
„Von den vielen guten Ideen und Lösungen zum Thema Lean Production im AUDI Werk Neckarsulm ist die eingesetzte Methodik der Perlenkette das wirkliche Highlight“, so die Experten von Agamus Consult. Traditionell wird die Perlenkette nach dem Karobau und nach der Lackierung durch Resequenzierungspuffer unterbrochen, um die Optimierung in den Gewerken wieder mit der Perlenkette in Einklang zu bringen. Nicht so im Werk in Neckarsulm. Hier wird die Perlenkette 6 Tage vor Montagebeginn gestartet und in allen Gewerken ohne Resequenzierung aufrechterhalten. Mit einer Perlenkettengüte von 98% über die gesamte Länge erzielt das Werk in Anbetracht der hohen Komplexität zudem eine hervorragende Stabilität.
Die tatsächlichen Benefits liegen jedoch nicht in der Einhaltung dieser Messgröße, sondern in handfesten Ergebnissen: Stabile Durchlaufzeiten, erhöhte Liefertermintreue, reduzierter Flächenbedarf und deutliche Kostenreduzierung – lapidar in „Lean Worten“: Verschwendung reduziert!
Mache es das erste Mal gleich richtig“, so lässt sich die Mentalität zur Fehlervermeidung bei Brose in Coburg beschreiben. Aus einem tiefen Verständnis für die Prozesse in Verbindung mit einer hohen technischen Kompetenz resultiert so eine überragende produzierte Qualität. Der Prozess der Industrialisierung wird nahezu perfekt beherrschen und die Symbiose zwischen Kunde und Lieferant für Maschinen und Anlagen gelingt meisterhaft.
Zudem scheut sich das Werk trotz seiner Brownfield-Voraussetzungen nicht vor großen strukturellen Anpassungen. So war Brose in der Vergangenheit in der Lage, jeweils die optimale Produktions- und Logistikstruktur zu schaffen, was für die gebotene Effizienz sorgte.
„Die Welle“, so könnte ein passender Titel für die Reise, die das im walisischen Cwmfelinfach nahe Newport ansässige Werk von MöllerTech hinter sich hat, lauten. Nach einem ruckartigen Anstieg des Umsatzes stieg die Verschwendung (insbesondere Überproduktion und Q-Themen) an bis das Werk zur Reaktion gezwungen wurde. Und diese fiel bemerkenswert aus:
Anstatt das bestehende Produktionssystem, das augenscheinlich nicht dabei helfen konnte, profitabel zu arbeiten, über Bord zu werfen, verordnete sich das Management des Werkes ein Programm zum gemeinsamen Neustart. Ausgehend von der Erkenntnis, dass ein Produktionssystem ohne eine Verbesserungskultur nicht erfolgreich sein kann, fokussierten die Verantwortlichen in einer Art und Weise auf eben jene Kultur, wie sie die Jury selten zuvor erlebt hat. Als Hauptaspekte sind die hier die Mobilisierung der gesamten Belegschaft, gegenseitiger und gelebter Respekt sowie die gemeinsame Freude an Verbesserungen zu nennen.
Die hervorragende Ausgestaltung und Anwendung des World Class Manufacturing (WCM), also des von FCA eingesetzten Produktionssystems, stellt die Grundvoraussetzung dafür dar, dass die gestarteten Industrie 4.0-Aktivitäten das Werk Melfi immer weiter nach vorne bringen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass in der FCA-Gruppe Lean und Industrie 4.0 keine getrennten Welten sind, sondern vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird. Zudem sind die Industrie 4.0-Roadmaps der Gruppe und der Werke eng verzahnt. In der FCA-Gruppe wurde die sogenannte New Plant Landscape (NPL) als ein „Extended MES“ im Werk Melfi erstmalig implementiert. Eine Reihe mit der NPL einhergehend eingeführter Smart Applications unterstützen die Mitarbeiter. Als Beispiele seien das Operator Terminal an jedem Arbeitsplatz, das Digital Quality Book, das e-Cost Deployment oder Applikationen zur Predictive Maintenance genannt. Die Jury sieht bei dem FCA Werk Melfi eine zukunftsweisende Symbiose von Lean und Industrie 4.0 und zeichnet das Werk daher mit dem Special Award „Smart Digital Operations“ in der Kategorie OEM aus.
Der zweite Sonderpreis „Smart Digital Operations“, diesmal in der Kategorie Supplier geht an das Bosch Werk Blaichach/Immenstadt. Das Werk, das im vergangenen Jahr für seine „Innovative Werksstrategie“ ausgezeichnet wurde, verfolgt den Weg in Richtung Industrie 4.0 mit einer Konsequenz, die – so das Urteil der Agamus-Juroren – auf TIER1-Ebene europaweit ihresgleichen sucht.
Die Basis für den schon heute beachtlichen I4.0-Reifegrad liefert auch hier die Umsetzung des Bosch Produktionssystems. Hinzu kommt, dass das Werk sowohl auf der Werksebene als auch im Rahmen des IPN (International Production Network) eine stringente Strategie für die stufenweise Weiterentwicklung von Industrie 4.0 verfolgt.
Heute sind innerhalb des IPN 14 Produktionswerke mit insgesamt über 6.000 Maschinen und Anlagen vernetzt. Die Daten werden zentral in einem MES zusammengeführt und verarbeitet, so dass sich einerseits eine enorme Hebelwirkung für neue Lösungen und andererseits die Sicherstellung der Nachhaltigkeit bei Abstellmaßnahmen ergibt. Das Werk Blaichach treibt in seiner Rolle als Leitwerk innerhalb des IPN diesen stringenten und wissensorientierten Ansatz konsequent voran.
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