Dem zehnten Kongress Automotive Lean Production öffnete sich zum Jubiläum am 17. und 18. November die ganze Welt. Denn Gastgeber BMW lud zu Award-Verleihung und Networking in sein Erlebnis- und Auslieferungszentrum BMW Welt München. Das Motto: Von den Besten lernen.
BMW-Produktionsvorstand Oliver Zipse stellt fest: „Produktion kommt von Produkt“ und die wichtigste Aufgabe einer zukunftsfähigen Produktion ist die „Steigerung von Flexibilität und Agilität, Innovationsfähigkeit und die Befähigung zu robusten Prozessen“. Dafür sind die Methoden und Instrumente von Lean Production unabdingbare Voraussetzung.
Längst losgestartet ist die Automotive-Industrie auf das Terrain der Industrie 4.0, der digitalisierten, vernetzten Fabrikation, der Smart Factory. Und während die Diskussion um deren spezifische Definition noch anhält, ist eines sicher: ohne Lean kein Smart. Für Dr. Thorsten Widmer, Hauptreferent Fertigungsstrategien und Investitionsplanung bei Bosch, ist Industrie 4.0 „Rückenwind für Lean Production.“
BMW-Produktionsvorstand Oliver Zipse definiert im Gespräch mit AUTOMOBIL PRODUKTION die Smart Factory als „Lean Production auf Basis stabiler Prozesse mit einem hohen Grad an Agilität und Innovationsfähigkeit.“ Damit sei auch der Weg für die BMW Group beschrieben.
Auf dem 10. Kongress ‚Automotive Lean Production‘ in der BMW Welt München öffneten auch die fünf Preisträger im Rahmen ihrer Vorträge gewissermaßen die Tore ihrer Werke und legten dabei die wesentlichen Erfolgsfaktoren ihrer Lean-Prozesse und deren aktuelle Ergebnisse offen.
Der Award in der Kategorie „OEM“ geht an das Powertrain-Werk von Fiat Chrysler in Verrone. Das norditalienische Werk produziert manuelle und automatische Getriebe für die gesamte FCA-Gruppe. In Summe wurden 2014 zirka drei Millionen Einheiten ausgeliefert. Den methodischen Rahmen der Optimierungen stellt World Class Manufacturing (WCM) dar. Basis der Verbesserungen ist die konsequente Jagd nach Verlusten in zehn operativen und zehn Management-Säulen, die dann mittels eines von den Mitarbeitern durchzuführenden 7-Schritte-Plans attackiert werden.
Diese erprobte und standardisierte Vorgehensweise wird im Werk Verrone mit einer Konsequenz angewendet, die ihresgleichen sucht. Angetrieben durch ein hochmotiviertes und qualifiziertes Managementteam hat das Werk so inzwischen eine Effizienz erreicht, in der Mikro-Störungen in den hochautomatisierten Prozessen die größten Verluste darstellen. Dies liegt auch daran, dass Abweichungen in den Abläufen durch ein enormes Frontloading in Form von präventiven Maßnahmen nahezu nicht mehr auftreten.
Der Award in der Kategorie „Internationaler Mittelstand“ geht an das Werk Prelouc von Kiekert, das mit mehr als 2 500 Mitarbeitern und einem Umsatzanteil von 44 Prozent das größte der Gruppe darstellt. Hinsichtlich Umsatz und Variantenvielfalt hat das Werk in den vergangenen Jahren ein enormes Wachstum zu verzeichnen, das vorbildlich gemeistert wurde.
Gemäß des Slogans „One Plant – One KPI – One Target” orientieren sich die Verbesserungsaktivitäten strikt am OEE als aggregierte und, aufgrund der einfachen Berechnung, verständliche Zielgröße. Im Ergebnis bescheinigen die Lean-Experten von Agamus dem Werk in Prelouc eine hohe Wertschöpfungsorientierung – sei es im hauseigenen Anlagenbau, wo bereits Poka-Yoke-Lösungen zur Erhöhung der Prozessstabilität zur Anwendung kommen, oder auch in den Montagelinien.
Die Sitzefertigung des BMW Werkes in München, die mit dem Special Award „Strategische Wertstromgestaltung“ ausgezeichnet wird, ist räumlich an das Fahrzeugwerk angeschlossen, organisatorisch gehört sie jedoch dem Vorstandsressort Einkauf- und Lieferantennetzwerk an. Einerseits muss sich die Sitzefertigung als klassischer Komponentenproduzent bei Neuvergaben von Aufträgen direkt mit externen Lieferanten messen, andererseits hat sie als Einheit des Einkaufs auch die Aufgabe, Know-how in das Beschaffungsnetzwerk zu transferieren.
Dies äußert sich zunächst darin, dass das Werk ausgeprägtes Benchmarking mit den Lieferanten betreibt. Identifizierte Prozessverbesserungen in der Lieferkette werden schnell und nachhaltig umgesetzt. Der Einsatz der Wertstrommethodik bildet das Rückgrat für die strategische Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette – von den Rohmaterialien bis zur Fahrzeugmontage. Die Best Practices fließen in ein Wertstromreferenzmodell ein, so dass bei alternativen Erzeugungspunkten die optimale Value Stream Performance gewährleistet werden kann.
Die Experten-Jury hob zudem die hohe Durchdringung des Wertschöpfungsorientierten Produktionssystems der BMW Group (WPS) hervor.
Die wichtige Rolle, die eine Werksstrategie für den Erfolg der Lean-Aktivitäten einnimmt, stellt das Werk Blaichach/Immenstadt der Robert Bosch GmbH eindrucksvoll unter Beweis. „Mit Kopf, Herz und Hand“ – so der Titel – beinhaltet sie neun Kernstrategien der Strategiefelder „Exzellenz“, „Innovation“ und „Zukunft“, die den „BhP-Weg“ zu einer erfolgreichen Fortsetzung seiner Rolle als Leitwerk innerhalb der Bosch Gruppe beschreiben. Diese geht in einzelnen Bereichen, wie etwa Industrie 4.0, weit über den Rahmen, der konzernweit durch das Bosch Produktionssystem (BPS) gespannt wird, hinaus.
Die Grundlage für eine erfolgreiche Strategieumsetzung, so die Experten von Agamus, wurde vom Werk durch die konsequente Implementierung des BPS, durchgängig nivellierte Pull-Regelkreise und die zukunftsorientierten Lösungen hinsichtlich der standardisierten Vernetzung von Maschinen und Anlagen geschaffen. Das Werk Blaichach/Immenstadt wird daher mit dem erstmals vergebenen Special Award für eine „Innovative Werksstrategie“ ausgezeichnet.
Der Preis in der Kategorie „Internationaler Konzern“ geht in diesem Jahr an das Werk Karben der Continental Automotive GmbH. Das Werk weist einen hervorragenden Materialfluss auf, der durch die Anwendung der japanischen Methode Kaikaku erzielt wurde. Diese beschreibt eine sprunghafte und radikale Umgestaltung der Rahmenbedingungen, die mittels eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses nicht möglich wäre.
Konkret wurden im Werk auf diese Weise zwei Lagerstufen – das klassische Hochregallager sowie ein Puffer zur Versorgung der Produktionslinien – eliminiert und eine Direktversorgung der Supermärkte in der Produktion realisiert. Ergänzt wird dieses flussorientierte Versorgungskonzept durch einen sehr hohen Umsetzungsstand des CBS, ein praxisorientiertes Schulungskonzept sowie einen insgesamt gelungenen Kulturwandel innerhalb des Werkes.
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