Das Widerstandspunktschweißen (WPS) ist die am häufigsten eingesetzte Verbindungstechnologie im Karosseriebau in der Automobilproduktion. Als anlagenintensiver Produktionsbereich wird dort eine Vielzahl an Daten generiert. In enger Zusammenarbeit zwischen dem Karosseriebau bei Audi in Neckarsulm, der Volkswagen IT und dem Audi Production Lab ist es Audi gelungen, die KI (Künstliche Intelligenz) für die Qualitätssicherung im Karosseriebau zur Serienreife zu bringen.
Bei „WPS Analytics“ wird bei Audi in Neckarsulm unter Einsatz von maschinellem Lernen die Überprüfung von Widerstandspunktschweißverbindungen vorgenommen. So erfolgt im Karosseriebau des Audi A6 und Audi A7 eine 100%-Kontrolle der Schweißpunkte zusätzlich zur weiterlaufenden Stichprobenprüfung per Ultraschall auf Basis der im Prozess generierten Daten. Die Ergebnisse werden den Produktprüfenden über das Quality Dashboard direkt an ihren Arbeitsplätzen angezeigt. Sie ermöglicht, dynamische Prüfpläne zu erstellen - Mitarbeitende können sich nun auf mögliche Auffälligkeiten konzentrieren und die Qualität dadurch noch effizienter und zielgerichteter kontrollieren.
Mit „WPS Analytics“ erreicht der Karosseriebau in Neckarsulm durch mehr Transparenz eine höhere Prozesssicherheit und etabliert einen neuen Maßstab zur Qualitätssicherung für die 1,5 Millionen Schweißpunkte, die pro Schicht gesetzt werden. Durch die intensive Arbeit aller Beteiligten ist es mit Hilfe von KI gelungen, Qualitätsauffälligkeiten aus Prozessdaten automatisiert und in Echtzeit zu erkennen. Für die Entwicklung der Algorithmen haben die Data Scientists auf vorhandene Prozessdaten und Prüfergebnisse der letzten 3 Jahren zurückgegriffen. Mit dem maschinellen Lernen wird das System kontinuierlich weitertrainiert.
Die Pionierarbeit von Audi liegt insbesondere im Umgang mit den Ergebnissen der KI sowie auch in der zertifizierungssicheren Anwendung in der Fertigung. Um den Prozess audit- und zertifizierungssicher abzubilden, erfolgte am Standort Neckarsulm die Entwicklung in enger Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ), dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA.
Darüber hinaus führte das Projektteam die Mitarbeitenden aus der Produktion an das Thema KI heran. Denn die Bereitschaft der Produktprüfer und Qualitätsexperten, den Ergebnissen der KI zu vertrauen, ist für die schrittweise Reduzierung des Prüfumfanges entscheidend. Neben zielgruppengerechten Expertengesprächen und regelmäßigen Feedback-Runden wurde ein Online-Training entwickelt. Diese gelungene Transformation in der Akzeptanz der KI, die Lösung der Zertifizierungsthematik sowie auch die spürbare Begeisterung der involvierten Mitarbeiter am Standort Neckarsulm sind aus Sicht der Jury die Erfolgsfaktoren für das „WPS Analytics“.
Der Use Case demonstriert, in welche Richtung der Volkswagen Konzern mit der Industrial Cloud geht. Die Zusammenführung von Produktionsdaten in einer digitalen Plattform ermöglicht einen einfacheren Roll-out über alle angebundenen Standorte, damit wird der Skalierungseffekt voll ausgeschöpft. Noch in diesem Jahr wird an drei weiteren Standorten des Volkswagen Konzerns die technische Infrastruktur für den KI-Einsatz für „WPS Analytics“ geschaffen.
Mithilfe der bei der Anwendung generierten Daten lassen sich künftig weitere Prozesse optimieren. So arbeitet das Team von Audi derzeit daran, die Daten künftig als Basis für eine vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) zu nutzen: Instandhalter prüfen regelmäßig die Parameterentwicklung der Anlagen nach der Pareto-Logik der auffälligen Schweißpunkte. So konnten bereits in der Pilotphase beispielhaft frühzeitig Risse in einer Schweißzange entdeckt und durch einen Austausch dieser im nächsten Instandhaltungsintervall eine hohe Produktionsausfallzeit vermieden werden. Auch die Ermittlung des optimalen Zeitpunkts für den Wechsel der Schweißkappen zur Reduzierung der Instandhaltungskosten ist ein erklärtes nächstes Ziel. Mit dem Einsatz von KI geht Neckarsulm einen entscheidenden Schritt in Richtung prädiktive Instandhaltungslösungen.
Der Audi Standort in Neckarsulm produziert die Baureihen Audi A4, A5, A6, A7 und A8 mit zusammen über 148.000 Fahrzeuge (2022) und beschäftigt ca. 15.500 Mitarbeiter. Alle notwendigen Gewerke, wie Presswerk, Karosseriebau, Lackierung und Fahrzeugmontage befinden sich am Standort. Der Use Case entstand im Karosseriebau in enger Zusammenarbeit mit dem Audi Production Lab in Ingolstadt.
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